Und dennoch: Nicht nur ist Maria Lassnig die einzige Künstlerin unter all diesen Männern, sie ist auch einzigartig, was Ihre Kunst selber angeht. Nicht zuletzt, weil sie die einzige ist, die all das, was sie zu sagen/malen hat, im traditionellen Medium der meist den Thema 'Gestalt' adäquaten großformatigen Malerei und der Zeichnung (mit gelegentlichen Ausflügen in die Filmwelt) ausdrückt: Da gibt es keinerlei Verwechselung mit irgend einem anderen der Wegbegleiter oder Zeitgenossen und das von Anfang an; und die Anfänge liegen schon eine geraume Weile zurück. Sie bleibt die originärste Malerin unter all den Freunden und Weggefährten, die sich oft auch in anderer medialer Form ausdrücken. Was immer Maria Lassnig an Lebens- und Kunsterfahrungen verarbeitet, was immer sie an Zeiteinflüssen aufnimmt und umsetzt - das lässt sich schon jetzt sagen - Ihre Kunst bleibt immer bei ihr, es ist immer Maria Lassnig, die da malt, unverwechselbar! Das alles beginnt für uns hier mit dem Jahr 1951 und mit den - von Martin Kunz so genannten - 'Strich Bildern' (2) nur scheinbar abstrakter Formen, die sie unter dem Titel „Statische Meditationen 1951/52“ während eines Stipendium in Paris schafft. In ihnen setzt sie die Erfahrungen des seinerzeit hochaktuellen informellen Bestrebungen in ihrer französisch eleganten Variante auf eine schon jetzt sehr Lassnig’sche Weise um. Hier in „Statisch runde Meditation“ von 1951 drängen die abstrakt linear gebändigten und gehaltenen Formen zum Rand des Bildraumes, von dem sie - so scheint es - gerade noch gehalten werden können, wenn sie ihn nicht doch durchstoßen.
 
Und ich greife vor, wenn ich Ihnen auch ein paar Bilder aus der Zeit ein Viertel Jahrhundert später zeige, aus den Jahren 1987 und 1988: „Breitseite“, 1987 / 140 x 200 cm; „Gelbes Bild mit Messer“, 1988 / 89 / 100 x 125 cm und dann noch einmal „Mittwoch“, 1989, 200 x 145 cm
 
Drängten sich in der frühen abstrakten Komposition die Assoziation auf, wir hätten es mit etwas Wachsendem, sich Ausdehnende zu tun, das sich noch auf dem Wege zur Formwerdung befindet und wie für einen Augenblick angehalten weiterdrängt, so ist dieses Versprechen Jahrzehnte später offensichtlich eingelöst. Thema und Formulierung scheint früh gefunden, aber noch im experimentalem Zustand. Beides wird die Künstlerin nicht mehr loslassen.

(2) Martin Kunz, Maria Lassnig: Körpergefühl im reinen „Strich-Bild“ (S. 17 ff) in Katalog Maria Lassnig, Kunstmuseum Luzern, Neue Galerie Graz. Kunstverein Hamburg, Wiener Sezession. Klagenfurt 1989