Prof. Kasper König
Direktor Museum Ludwig Köln

40 Jahre Richard Artschwager – Kontinuitäten und Diskontinuitäten
Laudatio auf Richard Artschwager aus Anlass der Verleihung des Roswitha-Haftmann-Preises 2007

Ich freue mich und bin sehr geehrt, heute zum Roswitha Haftmann-Preis an Richard Artschwager zu sprechen.

Sie, Herr Dr. Becker, haben in Ihrer Vorrede bereits auf das Wortspiel in dem Namen des Künstlers rekurriert, und ich erinnere mich, dass ich von dem Namen ebenfalls sehr angeregt war, noch bevor ich überhaupt mit dem Schaffen von Richard Artschwager vertraut war. 1965 bin ich nach New York gekommen. Ich hatte vorher in London gearbeitet und dort studiert, und wollte das gleiche in New York tun. Dafür hoffte ich, einen Teilzeit-Job bei Richard Bellamy zu bekommen, dessen Green Gallery bei meiner Ankunft jedoch geschlossen war. Mit seiner Firma war der Mann pleite, hatte aber sicher die interessanteste Galerie zu der Zeit in New York. Bellamy hatte Unterschlupf bei einem älteren Kunsthändler aus Chicago gefunden, Noah Goldomsky. Ein Name, der auch mir vertraut war – weil sein Vater, der aus Odessa kam, ein grosser Anarchist war, der die Ladies‘ Garment Workers‘ Union initiiert hatte. In den Räumen von Goldomsky, relativ kleinen Räumen, hat Bellamy eine Ausstellung mit dem Titel «From Arp to Artschwager, Annual Sculpture Show» realisiert.
Ich dachte zuerst, das wäre sozusagen eine Dada-Ausstellung, Arp und seine fiktive Familie – Art-Schwager – und hatte ja keine Vorstellung, dass das ein realer Name ist, dass da ein Künstler dahinter stand. Ich dachte, das wäre eben der «Schwager der Kunst». Und ich war damals sehr von den Socken, was in der Ausstellung alles zu sehen war. Marc di Suvero, eine kleine Hand von Rodin, dann «La Chaise», klein aber mit gewaltigem Busen und ausladendem Arsch. Also ich war schwer beeindruckt. Und dann gab es eben die «Handle» von Artschwager.
Jetzt zur Sache: Sehr früh und zugleich im Windschatten der diversen Kunst-Ismen der 50er und 60er Jahre, nach der Ablösung des abstrakten Expressionismus in Amerika, entwickelt Richard Artschwager nun seit mehr als 45 Jahren ein künstlerisches Werk, das sich jeder eindeutigen Zuordnung kategorisch verweigert, das ebenso divergent zu sein scheint wie konsequent und das eine Eigenschaft besitzt, die dem Kunstbetrieb leider allzu häufig abhanden kommt: es zwinkert humorvoll mit den Augen.

Als Richard Artschwager die Kunstszene Anfang der 60er Jahre mit seinen Möbelskulpturen betritt, feiern die Kritiker, darunter Donald Judd, in ihnen die gelungene Versöhnung des geometrischen Formenvokabulars des Minimalismus mit der Hommage an Alltagsgegenständen wie wir sie aus der Pop Art kennen. Es ist nicht uninteressant zu wissen, dass Artschwager für seinen Kollegen Oldenburg das «Bedroom Ensemble» geschreinert hat. Und eine der Arbeiten, die dies optimal auf den Punkt bringt, war eine einfache Würfelform, die Artschwager mit verschieden farbigem Resopal beschichtete. Eine quadratische Fläche und mehrere Dreiecke in Rosa verweisen auf eine Tischdecke, ein helles Braun auf den Tisch selbst und ein dunkles Braun auf den leeren Raum unter dem Tisch. Das Objekt konnte prinzipiell als Tisch genutzt werden (auch wenn man nicht wusste, wohin mit den Beinen), zugleich war es in der Reduktion seiner Form und dem Schema der Farben wie ein Bild von einem Tisch.
Resopal, auch Formica genannt, spielt eine Schlüsselrolle bei Artschwagers künstlerischer Entwicklung. In den 1950er Jahren, das ist ja allgemein bekannt, hatte er in seiner New Yorker Möbeltischlerei aus hochwertigen Hölzern Tische, Schränke, Kommoden und andere Möbel hergestellt. Wie auch andere Künstler seiner Zeit war er damit in einem kunsthandwerklichen Metier geerdet, das keine Mogelpackungen kannte, bevor er sich für die bildende Kunst entschied. Ich erinnere mich, dass ich Artschwager 69/70 in dieser Schreinerei besucht habe. Es wurde spanisch gesprochen, da fast alle Mitarbeiter Puertoricaner waren. Artschwager selbst sprach auch spanisch. Er war nicht da, sondern lieferte Up-town Möbel aus, so dass ich eine halbe Stunde warten musste. Der Anlass meines Besuchs ist mir jetzt auch wieder klar geworden. Das war 69/70 zu einem Zeitpunkt, als die Amerikaner ihre militärischen Aktionen im Vietnamkrieg auf Kambodscha und Laos ausweiteten. Es gab eine sehr angespannte Stimmung im Land. In einem kleinen Freundeskreis mit einigen bekannten und weniger bekannten Künstlern – u.a. Bill Copley, der Gastgeber, der Komponist La Monte Young oder der Maler Alfred Leslie, und anderen – wurde diskutiert, wie auf die militärischen Angriffen zu reagieren sei. Es gab damals den sehr interessanten Vorschlag doch Picasso zu bitten, das Gemälde «Guernica», das sich damals im Museum of Modern Art in New York befand, nach Hanoi zu schicken. Wenn die Stadt dann bombardiert würde, könnte die New York Times schreiben, dass man doch eines der wichtigsten Kunstwerke des zwanzigsten Jahrhunderts nicht zerstören darf. Es wurde also ein Vertrauter von Picasso gebeten, das zu vermitteln. Das ist aber nicht geschehen. Vielmehr wurde auch von höchster Stelle interveniert, das sei doch alles eine Schnapsidee. Aus dieser vermeintlichen Schnapsidee heraus, entwickelte ich für das Moderne Museet in Stockholm, für das ich damals arbeitete, eine Ausstellung.
Es gab mal eine berühmte Ausstellung in Europa, die war in der Kunsthalle in Basel bei Arnold Rüttlinger und Anfang der sechziger Jahre – glaube ich – auch in Stockholm. Sie hiess «Vier Amerikaner» und gezeigt wurden Werke von Alfred Lesley, Stankevic, Jasper Johns und Robert Rauschenberg. Die beiden letzteren sind übergeordnete, berühmte Künstler geworden, von den anderen hat man weniger gehört. In Fortsetzung dieser Ausstellung hatte ich vorgeschlagen, vielleicht unreflektiert, naiv, jedoch begeistert, eine Ausstellung zu machen, von vier Amerikanern, die für mich sehr amerikanisch waren, fast im folkloristischen Sinne und sehr unabhängig, sehr gegen den Strich bürstend. Diese Ausstellung sollte den «Dick, Bill, Cliff und Jack» haben. Dies bezog sich auf ein Gemälde von Fernand Léger, das einen Seemann mit einem Tattoo zeigt, das aus drei Namen bestand: Clementine, Barbara und ein weiterer Mädchenname. Die oberen waren vom Tätowierer durchge-xt, und die aktuelle Seemannsbraut stand da auf dem Oberarm. Diese Ausstellung wurde jedoch von höchster Stelle sofort sanktioniert. Nämlich Leo Castelli hatte davon Wind bekommen und hielt diese Idee vier amerikanische «G.I.s» als amerikanische Kunst in Europa museal zu präsentieren für ausserordentlich unseriös. Nichtzuletzt auch im Hinblick auf die angespannte Lage in Amerika und den Versuch, vier amerikanische Künstler mit ihren Spitznamen als vitales und zugleich schräges Paket anzubieten.

Vor dem Hintergrund seiner handwerklichen Fertigkeiten und der gesellschaftspolitischen Situation führte Artschwagers Beschäftigung mit Resopal, diesem «schaurig-schönen Material, dem Schrecken der Epoche» wie er sagt, zu einer tiefgreifenden Auseinandersetzung mit der Oberfläche und dem Schein der Dinge. Resopal wird seit den 30er Jahren hergestellt, das Muster der obersten Schicht dieser gepressten Platten imitiert häufig Holzmaserungen oder Steinoberflächen. Für diejenigen mit dem «guten Geschmack», für die allein Möbelstücke aus echten Hölzern und Materialien zulässig waren, war Resopal eine Zumutung. Es war ein schaler Abklatsch der edlen Materialien grossbürgerlicher Wohnkultur, durch den die kleinbürgerliche Welt der Angestellten scheinbar aufgewertet werden sollte. Stets abwaschbar und leicht zu pflegen, setzt Resopal kaum Patina an, es gehört mit zu den geschichtsvergessendsten Materialien der Architektur und Innenausstattung.
Indem Artschwager es statt in der industrialisierten Massenproduktion für die handwerkliche Ausführung eines Kunstwerks einsetzte, ruft er die Paradoxien dieses sehr aufgeladenen Materials auf. Das gilt auch für die gefundenen Möbelstücke, die er von Hand mit Holz imitierenden Mustern überzogen hat. In ihrer Kombination mit den starr geometrischen Formen oder den ehemaligen Gebrauchsgegenständen lösen diese Oberflächen daher ein Unbehagen aus, man weiss plötzlich nicht mehr, wie man zu ihnen stehen soll. Deutlich wird damit, dass sie ansonsten in ihrer Erscheinung und Wirkung hingenommen worden waren, dass das Prinzip der Verdrängung funktioniert hat. Ausserdem wird klar, dass selbst eine Form, die ihren eindeutig zugeschriebenen Inhalt verloren hat, dennoch unsere Wahrnehmungen und Bewegungen lenkt. Angesichts eines einfachen Holzkreuzes, dass er ebenfalls Anfang der 60er Jahre geschaffen hatte, um herauszufinden wie es sei, mit eigenen Händen ein Symbol zu schaffen, sagte er, dass man unter einem Kreuz nur sitzen oder knien könne, selbst wenn es für einen seine religiöse Bedeutung eingebüsst habe.

Parallel zu den Möbel- und Resopalskulpturen arbeitete Artschwager ab den späten 60ern an Gemälden auf Celotex, deren Oberflächen eine grisaillehafte Struktur aufweisen. Sie kommt durch das Trägermaterial zustande, da die überwiegend in Schwarzweiss gehalten Bilder auf die Rückseiten von Hartfaserplatten gebracht sind. Die Bildmotive stammen anfangs aus den Immobilienseiten der Sonntagszeitung. Artschwager vergrösserte sie um ein Vielfaches und übertrug sie auf die raue Oberfläche der Hartfaserplatten. Seine den Techniken des damals sehr stark präsenten amerikanischen Hyper-Realismus nahe stehende Vorgehensweise prägte der Wille, die Werke von jedem persönlichen Duktus möglichst freizuhalten, ihnen aber auch die Farben zu entziehen, die natürlich gerade in den hyperrealistischen Bildern mit einer ungeheuren kommerziellen Brillanz faszinierten.
Es ist das Material und seine Struktur, die das Werk bestimmen sollen, nicht die Handschrift des Künstlers. Da war auch wiederum die Nähe zu Figuren wie Steve Reich oder Yvonne Rainer prägend, also Künstler, die keine Objekte herstellen, sondern die für die Geschichte der Ideen innerhalb der Kunst, die dort produziert und rezipiert wurde, ungeheuer wichtig waren und für Artschwager, sicher auch aufgrund seiner naturwissenschaftlichen Ausbildung, immer offen und sensibel war. Es ist vielleicht nicht uninteressant zu sagen, dass Artschwager in den 50er Jahren ein Jahr lang in einem Studienkurs bei Amédée Ozenfant war.
Artschwager lässt die Reaktionen des Materials zu, ebenso wie das Verschwimmen jener Schärfe in diesen gemalten Oberflächenstrukturen. Seine Gemälde erhalten hierdurch eine Haptik, die den abgebildeten Szenen – meistens sind es äussere oder innere Ansichten von Gebäuden – eine irritierende Körperlichkeit verleihen. Der Widerspruch, den er in einem unglaublich breiten Spektrum zelebriert und immer wieder herauszaubert, ist ein künstlerisches Prinzip, das er bis heute durchhält und uns immer wieder überrascht. In Umkehrung des Eindrucks der Bildhaftigkeit, der angesichts der gemalten oder geklebten Oberflächen seiner Skulpturen entsteht, erwecken die Bilder damit einen körperhaften Eindruck. Der Künstler selbst äussert sich zu dieser Verschränkung künstlerischer Prinzipien wie folgt: «Bildhauerei ist zum Anfassen, Malerei fürs Auge. Ich wollte eine Skulptur fürs Auge und eine Malerei zum Anfassen machen».
Eine frühe Arbeit von 1962 funktioniert in dieser Hinsicht wie ein Scharnier zwischen den bildhauerischen und den malerischen Ansätzen, nämlich die Arbeit «Portrait I» von 1962. Auf einer von Hand bemalten Kommode lehnt das gemalte Porträt eines Mannes. Die Grisailletöne bringen das Möbelstück wie das Portrait mit der Schwarz-Weiss-Fotografie in Zusammenhang. Ich habe jetzt mehrere Sachen darauf hin gelesen. Manchmal heisst es, es sei ein Selbstportrait. Ich habe das immer verstanden als den Mann, der vermeintlich Kennedy erschossen hat, Oswald, Harvey Oswald. Aber es ist natürlich weder das Selbstportrait noch Harvey Oswald, sondern wie man gerade möchte. Das ist eben ein Portrait, das auf einer Kommode steht, und es erinnert in gewisser Weise an einen Toilettentisch, wobei es das Spiegelbild eines Mannes bietet, ohne ein Spiegel zu sein. Es ist dieses Kombinieren und Verschränken von unterschiedlichen Materialien, Techniken und künstlerischen Mitteln, das ist etwas, das als Momentum in den unterschiedlichsten Werkgruppen von Artschwager immer wieder aufkommt. Sagen wir mal, es ist so wie bei grossen Komikern – vielleicht wie bei dem Grössten für mich, Buster Keaton. Es gibt immer wieder ein Momentum, das könnte nur Buster Keaton bringen und dennoch ist es absolut allgemein gültig.
Bei Artschwager werden Gegenstände in ungesehener Weise als Malgründe genutzt, Bilder auf dreidimensionale Objekte gesetzt, die Rhetorik der Fläche von Bild und Skulptur gegeneinander ausgespielt. Das Ziel dieser Verschränkungen ist nicht das Verschleifen von Gegensätzen, sondern das Heraufbeschwören von Widersprüchen. Wie Melitta Kliege in einem Text über Artschwager bemerkt, basiert ein Widerspruch auf einer äusserst klaren Konstruktion: er entsteht, wenn a gleich nicht a ist. In diesem Sinne zielt die visuelle Strategie von Artschwager äusserst präzise auf die Produktion von Widersprüchen ab, indem er etwa die Gattungszugehörigkeit seiner Werke bewusst unterläuft. Möglicherweise zeigt sich hier die analytische Schärfe des Naturwissenschaftlers – Richard Artschwager studierte in den 40er Jahren Mathematik und Chemie an der Cornell University in Ithaka.
Doch noch einmal kurz zurück zur analytischen Philosophie. In der einwertigen Logik gilt, dass ein Widerspruch auf einem Fehler im System basiert, der nicht sein darf. Tritt ein Widerspruch auf, muss der Fehler gefunden und ausgemerzt werden. Allerdings gibt es eine Bewegung innerhalb der analytischen Philosophie, die die Akzeptanz von Widersprüchen fordert; die sie als Herausforderung an die Grenzen dessen sehen, was der Mensch beschreiben und ausführen kann. Es muss Bereiche der Sprache, des Analysierens und Handelns geben, die aus dem Schema der einwertigen Logik, die nur a oder nicht a kennt herausfällt.
Die Werke von Artschwager fallen ebenfalls aus der Einteilung in Skulptur oder Gemälde heraus, sie bieten sowohl Bilder der Sache als auch die Sache selbst. Diese beiden Ebenen, das Bild und das Objekt, sind bei vielen Werken miteinander vereint, Artschwager findet hierfür die Metapher der ineinander verkeilten kämpfenden Stiere. Durch diese immer wieder offen gelassenen Widersprüche irritieren seine Werke, sie schubsen uns in unseren Wahrnehmungs- und Deutungsmechanismen an oder machen uns stutzig – mich persönlich immer wieder glücklich – wie gut und unverbraucht Kunst sein kann.
Vielen Dank Richard!
Habe ich noch Zeit? Eine Sache muss ich noch erzählen Zu den «blps» – dann höre ich auf.
Die «blps» gab es zumindest hierzulande erstmals bei der sagenumwobenen Ausstellung «When Attitude Become Form» in Berlin. Damals erwischte es Artschwagers Kollegen Daniel Buren, als er in Bern plakatierte, ohne eine Erlaubnis zu haben. Bei den «blps» erwischte es dann Richard Artschwager bei der fünften Documenta, weil er in Kassel ohne Erlaubnis graffitimässig diese «blps» angebracht hat.
Vielleicht sollte ich kurz sagen, was die «blps» sind. Sie sind wahre Meisterwerke, die Artschwager 1967/68 entwickelte. Diese ovalen Körper von unterschiedlicher Grösse brachten seiner Kunst internationale Anerkennung, zumindest bei Künstlerinnen und Künstlern. Es sind ovale Körper von unterschiedlicher Grösse, aus Rosshaar oder Holz, aus Stahl oder Email, als Objekte gefertigt oder als Graffiti auf Wände gebracht. Sie sitzen meist an marginalen Stellen in Räumen oder an Häuserfassaden. Gemäss Artschwager gingen die ersten «blps» aus Zeichnungen hervor – so scheint in Tintorettos «Die Auffindung der Leiche des Heiligen Markus» um 1562 ein ganzer Strom von «blps» aus den Gemälden einer Bildergalerie herausgetreten zu sein.
Im Juni 1968 überzog Artschwager den Galerieraum von Konrad Fischer in Düsseldorf mit seinen «blps», sie breiteten sich über Innenwände und Fensterflächen aus und kontrollierten so in recht aggressiver Weise den Raum. In New York präsentierte Richard Bellamy die «blps» in seiner Ausstellung über serielle Abstraktion «From Arp to Artschwager III» und bei der Jahresausstellung des Whitney Museums zur zeitgenössischen Skulptur überfluteten die «blps»unter dem Titel «100 Locations» das Treppenhaus, die Ausstellungssäle, Aufzüge und die Büros. In ihrem Widerstand gegen bedeutungsvolle Vereinnahmungen und ihrer Verhinderung eingefahrener Rezeptionsmuster treffen sich diese Arbeiten mit den Strategien der Konzeptkunst. Auch eint ihn die Tatsache, dass die «blps» nicht unbedingt von ihm selbst ausgeführt werden müssen, mit Vorgehensweisen mancher Konzeptkünstler. Allerdings legt er grossen Wert auf die Art, in der sich ihre physische Präsenz im Raum manifestiert. Denn sie sollten unter keinen Umständen wie ein ausgestanztes Loch im Raum wirken, sondern wie ein weicher Fleck. Sofern sie wahrgenommen werden, werfen sie also nicht nur Fragen nach ihrer eigenen Identität und Bedeutung auf, sondern auch nach der Funktion und Eigenart des Orts, an dem sie angebracht sind.
Auf der fünften Documenta in Kassel wollte Artschwager ebenfalls seine «blps» anbringen, dabei erwischte ihn nachts jedoch die Polizei und setzte ihn fest. Jemand sagte mir «Du kennst doch den Richard. Hol den da mal raus». Und Richard Artschwager war sehr gelassen und glücklich, nicht nur, dass er rausgelassen wurde in der Wache, sondern weil sich herausstellte, dass er 1944/45 als einer der ersten die Stadt Kassel in einem tragischen Zustand erlebte. Er war damals nämlich Intelligence Officer der amerikanischen Armee. Er begleitete General Eisenhower bei der Befreiung der fast vollständig zerstörten Stadt, in der sich Panzer- und Lokomotivbau befunden hatte. Um den General herum gab es die Ordonnanz, den Chauffeur des Jeeps und den Intelligence Officer Artschwager. Dieser sagte, es wäre so etwas wie eine «poetic justice», dass für ihn in einer Situation, in der es nicht mehr so grauenhaft und willkürlich zuging wie gegen Ende des Zweiten Weltkriegs, die ordentlichen und vernünftigen Bedingungen, unter denen er nun in Kassel festgesetzt worden war, plötzlich ein interessantes Momentum bedeutete.
Das hat mich sehr beeindruckt. Ich glaube, dass er noch heute so verfährt. Er ist eben ein ganz ungewöhnlicher Mensch und wir sind glücklich, dass es Artschwager gibt. Ich freue mich, dass Du diesen Preis bekommen hast, Richard.